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"Anfang"


Wolfgang Schmid, Wien, Autor, Jolie St. Claire, Die Reise des weißen Elefanten, Stationen zur Hölle, Amazon, Stuber Puplishing,

Es war einmal ..."

„Damit sollte ja spätestens seit Veröffentlichung der Grimmschen Märchen kein Text mehr beginnen! … Da weiß man als Leser sofort, dass der Autor keine Ahnung hat ...“ So sagte es der, nach seiner eigenen Meinung, literarisch höchst befähigte Mann mit einem herablassenden Lächeln im Gesicht, nachdem er das Buch wieder zugeklappt hat.

Nun ja, mag sein, vielleicht hatte er ja recht. Eine Minute zuvor waren sein eingeschlafener Blick und die verkrampft auf dem Rücken verschränkten Arme, ohne die er leicht die Entgegennahme meines Werkes verweigern konnte, noch die körperliche Manifestation seiner offensichtlichen Frustration. Seine neidvolle Verkrampfung wich jedoch einer lustvollen Entspannung nachdem er sich dann doch herabließ um für eine Sekunde mein Werk aufzublättern.

Er, der Gebildete, stand jemanden gegenüber der geschafft hatte, was ihm selbst seit Jahrzehnten verwehrt geblieben war, nämlich ein Buch zu Ende zu schreiben. Aber nicht nur das! Nein, auch noch veröffentlicht und das nicht nur nicht im Selbstkostenverlag, sondern auch noch durch einen “richtigen” Verlag! ... das musste bestraft werden.

Egal! Es beginnt ja tatsächlich mit den Worten: „Es war an einem sonnigen ...". Aber aus einem sehr bestimmten Grund und warum meine Geschichte genau so beginnen muss möchte ich erzählen. Denn es ist der ursächliche Grund warum ich überhaupt zu schreiben begonnen habe. ;-)

Es war einmal … :-) Irgendeiner von diesen Sonntagnachmittagen, kurz vor Beginn der großen Sommerferien und meine Tochter trabt echauffiert- verschnupft die Treppe herunter. Schnurstracks in die Küche.

Beim durchstöbern Ihrer Schulsachen, oder besser gesagt beim hineinstopfen der benötigten Unterlagen für den Unterricht am nächsten Tag in die nächstbeste herumkugelnde Tasche, findet sich ein zerknülltes Stück Papier. Der zunächst noch geflissentlich ignorierte Zettel wird, kurz mal aufgefaltet, plötzlich zum Objekt unverhohlenes Frusts. Da gibt es tatsächlich noch eine Aufgabe zu machen? Zwei Wochen vor Schulschluss? ... F*** ...

Sich im höchsten Maße beschwerend über eine unsagbar gemeine Lehrerin, welche laut Schilderung einzig im Foltern der Kinder mittels Aufgabenerteilung übers Wochende Bestätigung zu finden scheint, sucht Fräulein Tochter Verständnis und Hilfe bei der Mutter.

Die Aufgabenstellung: Schreibe einen Aufsatz, mindestens 2 A4 Seiten und zumindest 500 Wörter. Beginne den Aufsatz mit einem Absatz aus Deinem Lieblingsbuch oder lass Dir von Deinen Eltern Zwei bis Drei Sätze schreiben. Bilde daraus Deine eigene Geschichte.

Easy oder? … Anscheinend weder für meine Frau noch für meine Tochter. Eine kurze Diskussion später, die ich aus weiter Ferne lauschend, selig dösend auf meiner Wohnzimmercouch vernahm, steht das Kind neben mir. Die Mama hat gesagt: Du sollst mir was aufschreiben, weil Du eh immer soviel Blödsinn im Kopf hast! Nett … nicht wahr? Aber soll halt so sein.

Drei Minuten später drücke ich Ihr ein ausgedrucktes Blatt aus dem Computer in die Hand. Sie ließt den Absatz. Der Blick der etwa Dreizehnjährigen spricht Bände.

Etwa ein gefühltes Augenzwinkern später stehen wir zu dritt in der Küche und streiten mehr oder weniger über die Sinnhaftigkeit der von mir verfassten Sätze. Ein Wort ergibt das andere. Mein Text wird, als "... unmöglich irgendetwas damit anzufangen ..." kritisiert, verworfen. Das Kind bekommt von der Mutter Drei Sätze geschrieben, mit denen Sie dann beide glücklich von dannen ziehen, während ich den abziehenden Schatten trotzig hinterherrufe:

“Wenn ich will kann ich daraus ein ganzes Buch schreiben”.

Mag sein das ich manchmal ein wenig unfähig bin Kritik zu ertragen …,

Aber …

Tage später räume ich meinen Desktop auf und lese diese paar Sätze noch einmal. Bereits im Papierkorb, habe ich das Dokument doch noch einmal geöffnet und sekundenlang hing mein Finger über der - Papierkorb löschen - Taste.

… Ich mach da jetzt einen Aufsatz daraus …

Woher der Impuls kam das Dokument wiederherzustellen und noch etwas dazu zu schreiben, weiß ich nicht, aber noch am selben Tag wurden aus dem Aufsatz sieben Seiten. Zwei Wochen später waren es 23 Seiten und plötzlich war klar: .... da könnt ich echt ein ganzes Buch schreiben ...

Es dauerte dann doch noch mehr als Neun Monate bis es fertig war, aber das Gefühl als ich das Wort ENDE nach über 300 Seiten schrieb, war unbeschreiblich.

… und nennt mich nun von mir aus blöd, wenn ich wirklich und wahrhaftig absolut bewusst, diesen ersten Absatz, schnell mal hingeschrieben für eine Hausaufgabe meiner Tochter, absichtlich genauso und unverändert am Beginn meines ersten Werkes stehen gelassen habe ...

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